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Timo attacca Amazon in Europa

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Timo attacca Amazon in Europa

Es gibt derzeit nur wenige Onlineplattformen, die unter deutschen Einzelhändlern für größere Schweißausbrüche sorgen, als Temu. Der Marktplatz aus China bietet Kleidung, Spielwaren und Alltagsgegenstände zu rekordverdächtigen Tiefpreisen an – und setzt die Konkurrenz enorm unter Druck. 2023 war Temu die beliebteste App im App-Store von Apple. Doch bisher hatte die Plattform gegenüber dem Branchenprimus Amazon einen großen Nachteil: Weil sich bisher der Großteil der Händler in China befand, mussten die Kunden in Deutschland zum Teil bis zu zwei Wochen auf ihre Lieferung warten. Doch das könnte sich nun ändern.

Was Temu schon Anfang des Jahres ankündigte, ist nun Realität: Die Chinesen öffnen ihren Marktplatz für europäische Händler. Schon seit Juli können sich Verkäufer aus ausgewählten europäischen Ländern, darunter auch Deutschland, registrieren. „Die Einbindung lokaler Verkäufer verbessert das Einkaufserlebnis, indem den Kunden eine größere Auswahl an Produkten mit kürzeren Lieferzeiten angeboten wird“, sagt eine Temu-Sprecherin der F.A.Z.

Medienberichten zufolge sollen Verkäufer zunächst keine Grundgebühr, Verkaufsprovision oder Gebühren für die Bewerbung der eigenen Angebote zahlen müssen. Das soll möglichst viele Händler anlocken. Gegenüber der F.A.Z. wollte Temu dies weder bestätigen noch dementieren. Die Motivation scheint aber klar zu sein: „Das ist ein direkter Angriff von Temu auf Amazon“, sagt Alexander Graf, Geschäftsführer der Softwarefirma Spryker. Mit der Öffnung für europäische Verkäufer erhöhe Temu den Druck auf die gesamte Branche. Mehr noch: „Temu hat damit das Potential, das neue Amazon zu werden“, sagt Graf.

Bisher lange Lieferwege

Um zu verstehen, wie wichtig dieser Schritt ist, lohnt sich ein Blick auf das Geschäftsmodell von Temu. Als Onlinemarktplatz produziert Temu die Waren nicht selbst, sondern lässt Händler gegen Provision auf seiner Plattform Produkte verkaufen. Die Verkäufer kümmern sich um die Lagerung und den Versand der Ware, Temu übernimmt den Kundendienst und die Vermarktung der Angebote – auf der Plattform und in den sozialen Medien.

Der Versand erfolgte bisher auf konkrete Nachfrage: Erst wenn ein Kunde in Deutschland auf Temu etwa ein T-Shirt bestellte, schickten die überwiegend chinesischen Händler die Ware nach Europa. Um Zollgebühren zu sparen, stückelte Temu die Pakete auf – offiziell vor allem aus logistischen Gründen. Kritiker der Plattform sahen darin aber einen unfairen Vorteil gegenüber europäischen Konkurrenten.

Wenn die Händler nun etwa aus Deutschland kommen und hierzulande die Ware schon auf Lager halten, wenn der Kunde auf dem Sofa auf „Bestellen“ drückt, entstehen Lagerkosten. Das bezieht sich aber nur auf die europäischen Händler, die Mehrheit der Verkäufer von Temu wird wohl weiter aus China kommen. Handelsfachmann Graf geht davon aus, dass Temu bisher bis zu 40 Prozent günstiger Waren anbieten konnte als Amazon, dieser Preisvorteil könnte in Bezug auf die europäischen Händler nun auf 5 Prozent sinken. Damit wäre Temu immer noch günstiger und könnte genauso schnell liefern wie Amazon.

Bald auch bekannte Marken auf Temu?

Für Graf ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch bekannte Marken auf Temu zu sehen sein werden. Dass Argument, dass es für eine Marke wie Puma ein absolutes No-Go wäre, auf einer Billigplattform aufzutauchen, habe noch nie wirklich überzeugt, sagt Graf: „Das haben Kritiker über Amazon auch lange behauptet.“ Der Onlinehandelsfachmann Jochen Kritsch ist anderer Meinung: „Die Öffnung klingt erstmal gut, aber das Image der beiden schreckt bekanntere Marken und Händler ab. Vielleicht helfen die guten Konditionen und die Reichweite dabei, zumindest einige Anbieter zu locken.“

Wovon Kritsch überzeugt ist: Temu aber auch die konkurrierende Onlineplattform Shein werden nicht auf Dauer die Heimat chinesischer Billiganbieter bleiben, sondern versuchen, relevante Anbieter für ein breites Spektrum von Produkten und Preislagen zu werden. Der Schritt sei eine weitere Kampfansage an Amazon und den gesamten Einzelhandel. Ob sich Amazon davon beeindrucken lässt, ist eine andere Frage. Der US-Gigant hat einen Marktanteil am deutschen Onlinehandel von 60 Prozent und freut sich über Rekorderlöse aus dem Werbegeschäft.

Temu kämpft aber nicht nur gegen Amazon, sondern auch gegen seinen schlechten Ruf. Nicht nur wegen miserabler Arbeitsbedingungen steht die Plattform in der Kritik: Der europäische Spielwarenverband TIE ließ 19 Spielwaren von Temu genauer unter die Lupe nehmen. Das Ergebnis: Kein einziges Produkt habe vollumfänglich die EU-Vorschriften erfüllt. 18 Spielwaren seien sogar ein Sicherheitsrisiko für Kinder.

Graf erwartet, dass viele europäische Verkäufer, die bereits bei Amazon sind, das Angebot von Temu nutzen, um Gebühren zu sparen. „Das wird neuen Druck auf die Preisschraube bringen und könnte Amazon zwingen, seine Gebührenordnung in diesem Sortimentsbereich anzupassen“, sagt er. Die Preisspirale nach unten drehe sich weiter – zu Lasten der Plattformeinnahmen und zu Gunsten der Kunden. Ob damit die „richtigen“ Produkte im Sinne von Qualität und Umweltverträglichkeit gefördert werden, stehe allerdings auf einem anderen Blatt.

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